Ein Gastbeitrag von Mike Augusto

Ich bin nicht nur dem guten Schuh verfallen, wie man hier an anderer Stelle vernehmen kann, nein, noch mehr der guten Armbanduhr. Schon recht früh, so mit ca. vier einhalb Jahren, konnte ich die Uhr bereits „lesen“ und kurz darauf, im Alter von fünf, bekam ich meine erste Armbanduhr geschenkt. Ein mechanischer Chronograph deutscher Herkunft. Was wohl in erster Linie daran lag, dass zu der Zeit, zu der ich fünf wurde, Quarz-Uhren noch gar kein Thema und deutsche Uhren noch erschwinglich waren …

Seit dieser Zeit also, jeder möge für sich selbst errechnen, wie lange das nun schon her sein kann, beschäftige ich mich intensiv und liebevoll mit der „guten Armbanduhr“, teilweise aus professionellen Gründen, aber immer wieder aus Gründen des schönen Hobbies. Bücher gekauft, Zeitschriften abonniert, Internet-Foren Gleichgesinnter beigetreten, das „Marketing“ einzelner Konzerne begriffen, die Historien und das Erbe einzelner Marken und Modelle „studiert“, Fachartikel verfasst, Messen und Auktionen besucht, und, natürlich, selbst die ein oder andere Uhr „ersammelt“.

Zum Artikel “Schicker als der Chef”

Daran mag es wohl auch liegen, dass meine Freunde und Bekannte, die sich mal wieder selbst etwas Gutes tun wollen und noble Füller und handgemachte Schuhe schon haben, mich fragen: „Mike, mein seriöser Uhrenberater, welche Uhr soll ich mir denn dieses Jahr selbst zu Weihnachten schenken?“ Und meine Antwort darauf ist immer die gleiche: „Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung! Kauf‘ Dir die, die Dir am besten gefällt!“

Und das ist auch tatsächlich meine innerste Überzeugung, jeder soll sein hart erarbeitetes Geld genau für die Uhr ausgeben, die ihm selbst am besten gefällt, so mache ich es ja auch und so ist das auch vollkommen korrekt, für die Auswahl einer neuen Uhr gibt es kein „richtig“ und kein „falsch“.

Erste Kaufentscheidung

Allerdings, man kann für die Entscheidung dieser Frage, die am Ende für Männer wichtiger werden wird, als drohende Inflation oder der Ausgang der Fußball-Weltmeisterschaft, ein paar „harte“ Fakten ins Feld führen. So könnte meine Antwort auf die Ausgangsfrage auch lauten, für welchen Anlass man das neue Teil denn kaufen möchte: Steht ein Tauchurlaub in der Südsee an? Oder nimmt man am „America‘s Cup“ teil? Beginnt gerade die Ball-Saison? Hat man sich ein neues Flugzeug gekauft? Oder einen Oldtimer aus den 60er-Jahren? Beginnt man mit dem Golf-Sport? Oder, immer wieder gute Gründe, heiratet man? Kommt das erste Kind zur Welt?

Uhrmacherisches Handwerk oder Batterie?

Dass eine Uhr selbstverständlich mechanisch, also ohne batteriebetriebenes, seelenloses Quartzwerk sein sollte, sei hier nur am Rande erwähnt, das müsste eigentlich von vornherein klar sein. Ein Uhrenliebhaber muss wissen, dass in dem Uhrwerk seiner neuen Uhr kleine Rädchen, Hebelchen, Schräubchen, von Hand verzierte Brücken und Kloben, eine Unruh und eine Hemmung ihren Dienst verrichten, und nicht irgendwelche Mineralien, die per Stromschlag in Schwingungen versetzt werden. Ein Mann baut „eine Beziehung“ zu seiner Uhr auf, und das tut er am besten, in dem er sich tagtäglich damit beschäftigt, seine Uhr mit Bedacht aufzuziehen oder zu stellen. Am besten macht „Mann“ das morgens, denn dann beginnt der Tag schon mit einer liebevollen Geste für seine uhrenhafte Begleitung…

Im Buch “Kleidung nachhaltig konsumieren” geht es übrigens auch um den gelungenen und nachhaltigen Uhrenkauf.

Markenhysterie oder Preisbewusstsein?

Die häufig an mich herangetragene Frage nach der richtigen Uhren-„Marke“ kann und will ich hier nicht beantworten, denn da hat sowieso jeder Uhrenliebhaber seine persönlichen Präferenzen, und ich auch meine. Auch das Herkunftsland der neuen Uhr ist nicht so sehr entscheidend, auch wenn hier schweizerische, deutsche und – neuerdings wieder – japanische Uhren in die engere Auswahl kommen sollten, und man, als wahrer Uhren-Fan, lieber die Finger von chinesischen Uhren fern hält.

Auch der Preis der neuen Uhr ist nicht unbedingt maßgebend. Eine gute, mechanische Uhr beginnt schon in den Einstiegspreislagen von rund tausend Euro, man muss also nicht zwingend sein halbes Vermögen investieren und den Bentley versilbern, um eine gute Armbanduhr zu kaufen. Im High-End-Bereich sind die Preislagen sowieso beinahe utopisch und nach oben offen, und auch nur in diesem Segment mag „je teurer, desto besser“ gelten. Für unsere Betrachtung muss der Preis also keine große Rolle spielen…

Die häufigsten Fehler

Die bereits weiter oben gestellte Frage nach dem Anlass für den Kauf einer neuen Uhr kann also wirklich in die richtige Richtung führen. Wie oft entdecke ich unter der Umschlagmanschette eines ansonsten perfekt ausstaffierten Herrn eine Plastik-Uhr, die Herzfrequenzen messen kann und die man eigentlich nur zum Joggen, und auch wirklich nur dafür, nutzen sollte? Wie oft sehe ich zum Smoking mit Fliege einen brachialen, stählernen Tauch-Chronometer mit massivem Band und Drehring zum Einstellen der Dekompressionszeiten? Wie oft zum von mir wirklich hoch geschätzten Polo-Hemd und Blue Jeans, begleitet von mir nicht ganz so hoch geschätzten Sneakers, die flache, elegante, goldene Uhr am Lederband aus der Zeit der Konfirmation? Wie oft sehe ich neben mir in der Oper den klassischen, maßgeschneiderten Anzug, unter dem eine Autofahrer-Sportuhr mit Tachymeterskala zur Ermittlung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit hervor blitzt, oder, noch schlimmer, die Uhr, die seinerzeit den Astronauten der Apollo XIII das Überleben sicherte? Trugen denn die NASA-Mannen Kaschmir-Sakkos in ihren Raumkapseln? Ich schätze, nein.

Wie „Mann“ es vielleicht besser macht…

Der eigentliche Anlass, zu dem meine Freunde und Bekannte also ihre neue Uhr kaufen möchten, ist relativ schnell und klar zu umreißen: elegant, formell, sportlich, sehr sportlich. Punkt. So einfach kann es sein, und ist es auch.

Für die eleganten Momente im Leben mit Frack oder Smoking trägt der Mann von Welt gerne eine Taschenuhr. Ich persönlich finde Taschenuhren toll, habe auch welche, trage die aber so gut wie nie. Man könnte eine Taschenuhr mit einem Monokel vergleichen, herrlich aristokratisch, aber auch leicht überkandidelt. Mir langt eine klassische, einfache Armbanduhr. Zwei Zeiger für Stunde und Minute sind völlig ausreichend, höchstens drei, wenn man noch auf die verstrichenen Sekunden Wert legen mag. Ein Datum braucht man auf dem Gala-Empfang des Herrn Bundespräsidenten nicht, das steht auf der Urkunde, die man später hoffentlich erhält. Das Gehäuse kann rund oder rechteckig sein, und ist vornehmlich aus einem Edelmetall. Platin und Weißgold hatten in den letzten Jahren eine Art Vormachtstellung, aber mehr und mehr kommen rot-, rosé- oder gelb-goldene Farben wieder zurück. Das Armband ist aus Alligatorleder, auch wenn sich, wie auch bei mir, zunehmend Sorge über dessen Gewinnung gemacht wird. Alternativ gibt es Kalblederbänder mit einer vom Original kaum mehr zu unterscheidenden Kroko-Prägung. Die Farbe des Bandes ist natürlich schwarz, so wie es auch der Schuh ist.

Bei der formellen Uhr, die den guten Business-Anzug begleitet, bin ich etwas großzügiger. Natürlich ist auch diese Uhr recht dezent, wird ausschließlich am Lederband getragen, aber die Uhr selbst darf verschiedene „Komplikationen“ anzeigen, wie z.B. Tag, Datum oder Monat, entweder in Fenstern oder per Zeiger, Mondphase, Gangreserve, Sonnenäquation, usw. usf., hier ist ja der Phantasie der jeweiligen Hersteller kaum Grenzen gesetzt. Die sich immer wieder stellende Frage, ob die eigene Uhr wertvoller sein darf, als die des Chefs, beantworte ich gerne mit einem klaren „Ja!“. Erstens hat der Chef den größeren Firmenwagen, und zweitens ist der Chef selbst Uhrenfan und freut sich über jede andere schöne Uhr, die er in freier Wildbahn sieht, und sei es am Arm seines Assistenten. (Das gilt aber nicht für Ihre Kleidung! Die sollte nicht nobler sein als die Ihres Chefs. Und wenn der Chef kein Uhrenfan ist, erkennt er den Wert Ihrer Uhr ohnehin nicht. Anmerkung von Katharina Starlay)

Sportiv, sportlich, James Bond

Die beliebteste sportliche Uhr ist der Armband-Chronograph, oder auf Deutsch, die Stoppuhr. Was auch immer man damit stoppt, die Verweildauer des „Fünf-Minuten-Eis“ im heißen Wasser oder die der Tiefkühlpizza im Ofen, die Fahrtzeit auf der Autobahn von Frankfurt nach Offenbach oder bei der „Mille Miglia“, ein Chronograph ist ein sehr schönes, sehr männliches Spielzeug. Er passt als Autofahrer-Stoppuhr ins Cabriolet wie in die Limousine, als Flieger-Chronograph in den Doppeldecker wie auch in den Lear-Jet, oder, wie weiter oben bereits erwähnt, an den Arm von Astronauten in ihren Raumkapseln. Das Material eines Chronographen spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle, hier sind persönliche Vorlieben durchaus gestattet. Neben Uhren der großen Manufakturen aus Gold oder Platin ist für eine sportliche Uhr Edelstahl durchaus akzeptabel. Das Material des Bandes ist entweder aus dem gleichen Metall, wie das des Gehäuses, oder auch hier aus Leder. Als Begleitung zum Anzug würde ich das feinere Kalbleder passender finden, zur Jeans und zum Poloshirt ist Metall durchaus vertretbar.

Sehr sportliche Uhren sind z.B. Taucher-Uhren, die, sind sie auch für diesen Zweck gedacht, und nicht nur für den Show-off an der Hotel-Bar in der südlichen Karibik, schon aus Gründen der Robustheit aus Edelstahl hergestellt werden. Diese Uhren müssen unter Wasser recht hohe Drücke aushalten, was Edelmetalle gar nicht vermögen, und sind schon aus diesem Grunde konstruktionsbedingt dicker, größer und massiger, als andere Uhren. Sehe ich also eine goldene Taucher-Uhr an einem Arm an dieser Bar, habe ich keinen „seriösen“ Taucher vor mir. Die Bänder dieser Uhren sind vorwiegend ebenso aus Edelstahl, da in der Schließe des Bandes Verlängerungsglieder untergebracht sein können. Wohltuende Ausnahme dieser Regel war in den 60er-Jahren James Bond alias Sean Connery, der seine Taucher-Uhr an einem Gewebeband trug. Aber, James Bond darf vermutlich alles! Deswegen trägt auch der derzeitige James Bond eine Taucher-Uhr mit Stahlarmband zu einem Savile-Row-Anzug. Nun ja, vielleicht war früher wirklich alles besser …

Immer eine gute Zeit
wünscht Mike Augusto

Foto: Fotalia