Eine Phantasy-Story über das Älterwerden
Dienstag war es. Es war Markttag und der Tag, an dem sich alle Krankheitserreger, Viren und Bakterien trafen. Sie versammelten sich über dem Marktplatz und übertrugen sich auf die Leute. Wenn die Menschen kauften und zahlten und redeten wurden sie angesteckt. Viele würden auch diesmal reichlich infiziert nach Hause gehen und einige Tage später krank werden.
Heute nun fand sich ein neuer Virus ein. Wo er hinkam, wurde alles alt, das Obst schrumpelig, die Blumen welk – und die Menschen bekamen Falten und graue Haare. Im Gedrängel der anderen Erreger wurde er zunächst wild hin- und hergeschoben; nach einigem Überlegen beschloss er dann, sich mehrfach zu teilen und auf dem Markt auszubreiten.
Einige seiner Ableger kamen nun zu den Blumen – und bald ließen diese Blätter und Köpfe hängen. Einige kamen zu den Kartoffeln und sie wurden alt und weich. Die Tischdecken und Spitzentücher wurden auf einmal steif und gelblich als hätten sie jahrzehntelang in einer Truhe auf dem Dachboden geruht. Und auch die Stimmen der Marktschreier wurden kratzig und schwächer, die Menschen bekamen Falten und graue Haare. Junge Frauen wurden älter, rüstige Verkäufer Greisen gleich und mussten sich ausruhen …
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Doch die Betroffenen unter sich sahen die Veränderung nicht, bemerkten nicht die alten Körper, aus denen noch junge, wache Augen hervorsahen – so jung wie die Menschen noch an diesem Morgen gewesen waren. Aber sie bemerkten die alte Ware, die vergilbten Decken und das schrumpelige Obst: „Was, das wagen Sie mir anzubieten?“ schrie entrüstet ein altes Mütterchen als ihr der Verkäufer eine Handvoll Rosinen einpacken wollte, die er bis gerade eben noch für Trauben gehalten hatte. „Junger Mann, ich verlange eine anständige Ware!“ schrie wieder das Mütterlein. Das Mütterlein selbst war bis heute eine agile Mitt-Vierzigerin gewesen. Die Menschen rundum waren sofort bei der Sache. „Genau, sollen das etwa griechische Trauben sein? Eine Unverschämtheit!“ dröhnte ein junger Mann aus dem Kinderwagen heraus. „Ich will mein Geld wieder!“ zeterte es aus allen Ecken.
Überall auf dem Markt geschah nun das Gleiche: Die Käufer bemerkten, das die Sachen alt waren, runzelig und ungenießbar. Es erhob sich eine furchtbare Entrüstung unter den Leuten, überall schrie und keifte es, die Verkäufer waren hilflos.
In all dem Trubel hatte keiner bemerkt, dass sich der Himmel zusammenzog. Und plötzlich öffnete der alle Schleusen und es regnete in Strippen. Aber unser Virus war nicht wasserbeständig!
Die Menschen blieben jetzt wie sie waren; als Senioren und Greise gingen sie heim, und keiner kann sich die Gesichter ihrer Familien ausmahlen, die Gesichter der Kinder und des Mannes einer ehemals jungen Frau … das Entsetzen der Ehefrauen und -männer der Verkäufer.
Und niemand ahnt das Erstaunen der anderen Viren, die sich nicht vorstellen konnten, wer von ihnen dieses Chaos bewirkt hatte.
(Autorin: Katharina Starlay mit 17)
Foto: IngImage