Ist die Uniform von gestern – oder macht sie Mut zum Markenzeichen?

Ursprünglich kommt sie aus der Trachtenbekleidung. Das Bedürfnis von Menschen, ihre Zugehörigkeit zu einem Stamm, im Englischen Tribe, sichtbar zu machen, ist vermutlich so alt wie die Bekleidung selbst. Und auch die gleichförmige Eleganz der römischen Tunika und Toga, der indische, immer wieder nach dem gleichen Ritual gebundene Sari oder aber der Kult des schottischen Kilts entsprechen in ihrer Prägnanz ganz dem, was eine Uniform ausmacht: Wiedererkennung, Orientierung und der Stolz, dazu zu gehören. Nur bei uns, in Deutschland, hat das Wort keinen guten Ruf.     

Das zeigen auch schon die Begriffe, derer man sich bedient, um das Wort selbst zu umschreiben: Dienstkleidung, Service-Attire, Corporate Fashion … Was das Ganze mit Mode zu tun hat, erschließt sich nur selten, denn Ausstattung, welche betriebswirtschaftlichen Kennzahlen unterliegt, hat lange – manchmal sehr lange zu halten. Länger als dem Träger und dem Firmen-Image lieb ist.

Welches Problem – pardon, Thema – haben wir in Deutschland mit der rituellen Kluft? Ist es eine lokale Zurückhaltung oder aber der strenge Blick der weltweiten Community auf unsere textile Firmenpräsentation? Unvergessen zum Beispiel der Tag, wo ein Bekleidungshersteller, der Hosen für ein Dienstleistungsunternehmen gefertigt hatte, alles wieder auftrennen musste, um einen in die Seitennaht eingearbeiteten Kontraststreifen wieder herauszunehmen – der Auftraggeber hatte Angst bekommen, die feine Paspel könne militärisch wirken.

In anderen Ländern stehen Uniformen nicht infrage – sie sind selbstverständlicher Teil des Geschäftslebens und haben einen Platz in jeder weitsichtigen Kalkulation.

Denn die Vorteile eines einheitlichen Auftretens sind klar: Eine bessere Identifikation mit der Marke und der beschriebene Stolz, Teil der Firma zu sein. Eine wahrnehmbare Werbewirkung, sofern die Kleidung richtig gut ist – schließlich können Mitarbeiter die besten Markenbotschafter sein. Ein klares Bild der Marke am Point of Sale. Zeitersparnis am Morgen. Kurzum: Profilierung und Effizienz.

Die Gegner dagegen führen mangelnde Selbstverwirklichung der Protagonisten ins Feld. Angesichts der vielen freiwilligen Uniformen unserer Neuzeit von Jeans und Sneakers bis zum uniformierten Manager-Zweiteiler bis hin zum monochromen schwarzen Anzug weiblicher Entscheidungsträger aber wird das Argument etwas kraftlos:

Menschen und Marken positionieren sich nun mal durch Kleidung – nicht nur individuell, sondern auch statusbezogen.

Prägende positive wie negative Beispiele belegen, welche Wirkung Kleidung auch für den Unternehmenserfolg hat, beziehungsweise, wo sich die Marke selbst ein Bein stellt:

  • Ein vertriebsbetontes Unternehmen mit einer großen Flotte an unübersehbaren Fahrzeugen stattet seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt mit Hemden, Blusen und Shirts der billigsten Qualität aus, welche auf der Haut unangenehm sind, insbesondere bei Hitze. Statt das Teil werbewirksam anzubehalten, haben die Träger nach erfüllter Aufgabe nur einen Gedanken: Es schnellstmöglich gegen ein privates Hemd auszutauschen, das sich besser anfühlt. Wohlbefinden hat viel, sehr viel mit textiltechnologischem Vermögen zu tun. Kleidung, die über einen langen Zeitraum und bei vielen Einsätzen gut aussehen soll, muss bestimmte Kriterien erfüllen – und nur wer sich wohlfühlt, arbeitet auch gut.
  • Manchmal ist die stilistische Aussage von Firmenkleidung (gerade bei Messeauftritten) so allgemeingültig, dass der Verkäufer genauso gut die Waren der Mitbewerber verkaufen könnte. Mit der obligaten Verlegenheitskrawatte ist es also nicht getan …  Ziel muss es sein, nicht nur korrekt, sondern einzigartig zu sein und die Marke von anderen abzuheben.
  • Wo Frauen in der Unterzahl sind, werden sie, weil „es sich nicht lohnt“ nicht selten in Männerklamotten gesteckt. Was tut das mit ihrer Loyalität und ihrem Selbstverständnis in der Erfüllung ihrer Aufgabe? Eine paar moderne und dem Job angemessene Kleider sind ein vergleichsweise kleines Marketing-Budget, wenn die Damen dafür begeistert von ihrer Firma sprechen.
  • Das Team eines Unternehmens mit Frischeversprechen wird mit von Weitem erkennbaren bunten Kitteln mit Aufschrift ausgestattet – und damit stehen die Raucher unter ihnen dann in den Pausen Zigarette-ziehend vor dem Laden …
  • Viele Personen des öffentlichen Lebens, Kunst- und Kultfiguren zeigen, dass Uniform funktioniert: Sherlock Holmes, Charlie Chaplin – oder aber der persistente Look aus dunkler Hose mit hochgeschlossener, oft signalfarbiger Jacke in Uni, den unsere Bundeskanzlerin so erfolgreich etabliert hat und welcher in der Wirtschaft inzwischen vielfach nachgeahmt wird. Und unabhängig davon, ob ein Betrachter den Look toll findet, bleibt dieser im Gedächtnis und hebt die Figur in ihrer Rolle hervor. Die Strategie ist erfolgreich. Wer sagt, dass eine Uniform militärisch sein muss?
  • Es geht die Mär, dass ein Hotel vor einigen Jahren seine Mitarbeiter so cool, zeitgemäß und chic eingekleidet haben soll, dass es sich vor Bewerbungen nicht retten konnte. Ist das Zufall? In Zeiten von Employer Branding ist das ein echter Punkt: Unternehmen, die gut aussehen, ziehen auch attraktivere Bewerber an. Und da die klassischen Statussymbole wie ein großer Firmenwagen bei der jungen Generation im Allgemeinen und der Parkplatznot in Innenstädten im Besonderen ohnehin massiv an Reiz verlieren, gewinnt die nonverbale Botschaft der Kleidung eine Anziehungskraft von betriebswirtschaftlicher Wirkung.      

Bei vielen Marken ist das Werbeversprechen groß – nur die Kleidung der Mitarbeiter eher karg. Der Kunde der Zukunft verlangt aber kompromisslose Integrität – um die überstrapazierte Vokabel der Authentizität, die kaum noch jemand hören mag, einmal zu schonen. Die richtige Kleidung – ob Uniform oder Non-Uniform – bleibt nicht nur Fluggesellschaften vorbehalten. Sie ist für große und kleine Marken, Unternehmen und Selbstständige lebendige Werbung an der exakt richtigen Stelle – am Kunden.

Also: Mehr Mut zum Markenzeichen!

Foto: IngImage