Echtheit im Bewerbungsgespräch führt zum Erfolg

Weichenstellen durch Karriereberatung

„Ungeduld!“ Wie aus der Pistole geschossen beantwortet der Kandidat die Frage nach seinen persönlichen Schwächen – weil irgendjemand irgendwann einmal verbreitet hat, dass dies die Antwort sei, die Personalchefs und Head-Hunter gerne hören. Eine Antwort, die keine negative Interpretation zulässt. Der Kandidat oder Bewerber will gefallen, um jeden Preis – er will den Job.

Mut zum eigenen Profil

Wohin uns diese Mentalität der Anpassung gebracht hat, sehen wir in der Wirtschaft, jeden Tag. Wenn es aber wahr ist, dass Menschen nur am richtigen Ort, im richtigen Umfeld und in der richtigen Aufgabe exzellente Leistungen bringen können, lohnt es sich, der Profilarmut schon im Bewerbungsgespräch den Rücken zu kehren – nicht zuletzt, um in einer bewegten und bewegenden internationalen Welt eine Mitte zu finden – sich selbst. „Richtig“ liegt man, wenn sich eine Persönlichkeit mit ihren Qualitäten unverfälscht und unverstellt einbringen kann. Wer in seinem Berufsalltag immer nur eine Rolle erfüllt, wird langfristig weder effizient und profitabel arbeiten – noch wird er Erfüllung und Befriedigung erleben. Nicht umsonst hat der Begriff der „Beruflichen Neuorientierung“ Hochkonjunktur.

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Es gehört zur Aufgabe der Karriereberatung, die Weichen auch in den – oft unterschätzten – soften Faktoren richtig zu stellen und das Bewusstsein für die Bedeutung des persönlichen Images zu sensibilisieren: Echtheit und Erfolg hängen zusammen. Es gilt, über den Prozess der inneren Entwicklung (innere Karriere) hinauszugehen und Identität nach außen sichtbar zu machen, denn Auftritt und Optik sind Medien zwischen Sender und Empfänger und transportieren eine Botschaft.

Der erste Eindruck

Dabei entsteht der vielzitierte erste Eindruck von nur zehn Sekunden anteilig auf folgenden Ebenen:

  • 50% visuell/physisch
  • 35% emotional
  • 10% verbal
  • 5% variabel

Eine Situationsanalyse innerhalb der Karriereberatung führt zu einer Zieldefinition – das Ziel aber wird erst sinnvoll, wenn es den Aktivitäten Farbe und Profil verleiht. Erst wenn Sprache, Händedruck, Styling, Duft und Verhalten stimmig und in Einklang sind, erhält die Botschaft Reichweite. „Aus der Art … lassen sich Variationen der Körperaussage und der menschlichen Eigenart ablesen“ stellt Samy Molcho, Mime und Experte der nonverbalen Kommunikation, in seinem Buch „Körpersprache“ (Mosaik Verlag München, 1983) treffend fest. Im Idealfall wird der Auftritt zum authentischen Spiegel des individuellen Stärkenprofils – im umgekehrten Fall entwirft er ein Bild, das den Anforderungen eines Berufsalltags nicht standhält. Wir verbringen aber zu viel unserer Zeit mit unserem Beruf, um ihn dauerhaft als Maske zu leben! Karriereberatung schließt die Verantwortung auch dafür ein.

Kreative Fragen zur Stärkenanalyse

Authentische Selbstdarstellung setzt eine differenzierte Betrachtung des Stärken- /Schwächenprofils voraus. Wissenschaftlich fundierte Tests (Assessments) und das persönliche Gespräch ergeben zusammen ein rundes Bild. Nicht selten sind Stärken und Schwächen Sonnen- und Schattenseite persönlicher Eigenschaften, die – je nach Betrachtung – als gut oder weniger gut gewertet werden. Nur – wo liegt der Maßstab? So kann die vielzitierte Ungeduld genauso gut ein ganzes Team überfordern und lähmen wie sie Entscheidungen fördern und Prozesse vorantreiben kann. Es bleibt auch zu überlegen, welche der im Laufe eines Interviews genannten Attribute persönliche Eigenschaften oder lediglich Gewohnheiten sind.  

Um die berufsrelevanten Fähigkeiten auf einen Punkt zu bringen, reicht die bloße Frage nach der Selbsteinschätzung also nicht aus. Gleichzeitig können persönliche und fachliche Qualitäten langfristig nicht glaubhaft getrennt werden. Echtheit beginnt hier …

Der Artikel von Katharina Starlay steht kostenlos als PDF-Download zur Verfügung; aus: Karriere-Spots, Frankfurt 2004, S. 99–110

Titelfoto: Christina Morillo, lizenzfrei von Pexels