Businessknigge hautnah
Jetzt, wo die Frauen aufholen, erobern sich Männer neue Reviere. Längst erreicht der Bart-Kult auch die Geschäftsetagen, und für manchen Leser mag der Bart sogar schon fast ein alter Zopf sein. Bei anderen aber wird eine gewisse Ratlosigkeit sichtbar, wie das neue Lifestyle-Tool nun zu handhaben ist. Gibt es Empfehlungen, worauf beim Schnitt zu achten ist? Kann Mann dabei auch Fehler machen? Und wie geht Business-Bart nun richtig?
Die erste gute Botschaft ist, dass es kein geheimes Rezept gibt, welche die Wahl des Bartes und seine Form nahelegt. Der Bart eines Mannes ist tatsächlich eine Art kreative „Carte blanche“, eine weiße Karte des Selbstausdrucks. Die zweite ist, dass auch immer mehr Frauen an dem neuen Männeraccessoire ihren Gefallen finden, wie ein Kunde in einem Barber-Shop lächelnd berichtet.
Der Gedanke „anything goes“ kann aber trotzdem nicht die Lösung sein. Und auch der mit Lifestyle-Bärten gerne kombinierte Faded Cut mit Übergang, der den hartkantigen Under Cut, das längere Oberkopfhaar mit kurz rasierten Unterlängen, abgelöst hat, gilt bislang noch nicht als „businesslike“. Da nicht nur das männliche Gesichtshaar, sondern auch die nächsten Generationen von Bartträgern immer wieder nachwachsen, ist nicht das Ob, sondern das Wie einen frischen Gedanken wert.
Am Nacken erkennt man, ob der Friseur ein guter ist. Dieser kühne Satz impliziert, dass der Barbier Ihres Vertrauens Ihren Kopf und die Gestaltung von Haupthaar, Gesichtshaar und deren Übergängen als Ganzheit betrachtet. Und kein Barber, der auf sich hält, würde Frauen gleichermaßen wie Männer beraten – das sollte zumindest in Persona getrennt sein, selbst wenn es im selben Salon stattfindet. Schließlich gibt es bei den Damen ja auch Spezialisten für Haarfarbe, Haarumformung oder besondere Haarschnitte, zum Beispiel Kurzhaarschnitt oder Langhaarschnitt. Denn das Barthaar ist anders in seiner Struktur, robuster und störrischer. Und auch hier ist es die Länge, welche die Handhabung vorgibt. Reden wir also über die verschiedenen Bartlängen-Stile.
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Ohne Bart
Ob sich ein bisher bartloser Herr nun zu einem gepflegten Vollbart mit Head Bun, dem hoch gebundenen Haarknoten am Hinterkopf, hinreißen lässt? Das sollte unbedingt mit dem Image der Firma abgeglichen werden… Zum Maßanzug wäre das mit Sicherheit ein neuer Auftritt. Aber das gibt niemand vor. Das Gesetz der Toleranz gebietet auch in Mode- und Lifestyle-Fragen die freie Wahl. Je nachdem, wie sich der Bart-Hype aber entwickelt, kann es sein, dass das vom allgemeinen Trend geleitete Betrachterauge eines Tages eine Form von Bart-Tracht erwarten wird. Dann wird, wer keinen Bart trägt, irgendwann avantgarde.
Er zeigt eben Gesicht. Und der Herr ohne Bart weiß um die Kunst der glatten Rasur, welche in erster Linie auf die Haut Rücksicht nehmen sollte. Und weil sich empfindliche Haut und Alkohol schlecht vertragen, ist auch Rasierwasser oft keine gute Idee – zumal die befreundete Dame, die Sie mit Wangenkuss begrüßt, Ihren Duft dann mit sich tragen muss und schlimmstenfalls in ihrem Businesslunch wiederfindet.
3-Tage-Bart
In einschlägigen Bart-Typologien als Symbol der Rebellion beschrieben, macht der kurz gewachsene oder kurz gehaltene 3-Tage-Bart tatsächlich viele Gesichter markanter, gerade Hellhäutige mit hellem Haar. Das kommt der Intention in der Geschäftswelt durchaus entgegen. Wie beim Vollbart ist aber bedeutend, dass die Übergänge nach oben und nach unten stimmen. Der Verlauf vom kurzen Gesichtshaar zum längeren Haupthaar sollte fließend sein, der Übergang zum Hals definiert und nicht zufällig. Gerade bei diesem flächigen Bart ist ein Blick auf das Profil lohnend: Eine schräg verlaufende Kinnlinie etwa wird ausgeglichen, wenn die Kontur entlang des Kiefers läuft.
Teilbart
„Gestrüpp“ nannte in der jüngsten Neuverfilmung von „Winnetou“ der Häuptling den Oberlippenbart (Moustache) seines Bruders Old Shatterhand. Der partielle Bart, zu dem auch Kinnbärte, Koteletten und Co. gehören, wird mehr als andere Formen mit einer Charakterbeschreibung ihrer Träger in Verbindung gebracht. Aus stilistischer Sicht allerdings sollte sich die Formensprache in erster Linie an den Gesichtszügen, -formen und -proportionen orientieren. Ein langes und schmales Gesicht beispielsweise braucht nicht noch durch lange Koteletten optisch gestreckt zu werden.
Der Schnurrbart übrigens, der moderner wirkt, wenn er nicht kompakt wie in den 70´ern, sondern gestutzt getragen wird, war in der Türkei traditionell das Statussymbol eines reifen Mannes.
Vollbart
Da Bärte ja bekanntlich älter wirken lassen, sieht man aktuell kaum noch einen jungen Mann um die Zwanzig, der keinen Vollbart trägt. Je länger der Bart, desto besser muss er allerdings gestylt werden. Almöhi geht nicht – Kontur wird großgeschrieben.
Der Vollbart darf nie solo betrachtet werden, er ist immer Teil eines Gesamtbildes, ähnlich einer Skulptur. Auch hier sind Übergänge und die Haarlänge wichtig, inklusive einem glatten Nacken. Und mit wachsender Länge steigt auch der Pflegebedarf. Arganöl oder Haar-Serum sind tolle Produkte, die für Glanz sorgen – und auch so manche Dame mit unbändigen Locken begeistern dürften. Ob für Kopf oder Bart: Haare sind gute Geruchsträger, weshalb der Duft angenehm sein muss – besonders, wenn er unter der Nase stattfindet.
Foto: IngImage