Wie frei wir von der Mode wirklich sind
Freiheit ist ein hoher Wert. Jedenfalls für die meisten von uns. Die Freiheit, reisen zu können, wohin wir wollen – die Freiheit, kaufen zu können, was uns gefällt. Aber ist das wirklich so? Sind die Entscheidungen, die uns zum Kauf bewegen, wirklich unsere eigenen? Oder folgen Sie einem undurchsichtigen Prinzip des Gefallens, das erst entschlüsselt werden will?
Gehen wir mal weg von der uns allen bekannten mehr oder weniger subtilen Manipulation durch omnipräsente Werbung: Welche Faktoren sind es noch, die unsere Wahl alles andere als frei werden lassen? Was boykottiert unseren individuellen Look und torpediert unser Hoheitsgebiet in Stil- und Persönlichkeitsfragen?
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Die Frage ist doch nicht, was uns gefällt, sondern warum. Ich habe für mich schon früh den Entschluss gefasst, Freiheit als Freiwilligkeit zu verstehen. Deshalb kann man übrigens noch immer verbindlich sein!
Es geht um die Möglichkeit der Wahl, und wer keine Alternative hat, folgt jedenfalls nicht sich selbst und ist demnach auch nicht frei. Wir erleben das in den großen Themen des Lebens genauso wie in den kleinen: Nur wenn die Option, das Szenario zu verlassen oder sich für etwas anderes oder auch gar nichts zu entscheiden, überhaupt da ist, sind wir freiwillig dort, wo wir sind. Das gilt für Geschäftspartnerschaften genauso wie für Ehen – das sind die großen Themen –, aber auch für unseren Umgang mit allem, was zu unserem Alltag gehört und Spaß macht.
Wie freiwillig sind wir noch unterwegs, wenn unser geliebtes Smart-Phone nur mit spezifischen Programmen und Apps aus dem gleichen Stall kompatibel ist? Wenn eine App Zugriff auf Daten zur Bedingung für ein Update macht?
Wie freiwillig ist die Wahl, wenn Politiker zu Best Dressed People gewählt werden – aber eigentlich nur eine allgemeine Mode imagewirksam spazieren führen? Mode leitet sich übrigens aus dem Lateinischen „modus“ – die „in einem bestimmten Zeitraum geltende Regel, etwas zu tun, zu tragen oder zu konsumieren …“ (Wikipedia) – ab. Die im Zeitraum der letzten drei Jahre geltende Regel in der Herrenbekleidung empfiehlt zum Beispiel schmale Hosenbeine mit knapper Länge und blaue Anzugstoffe. Hatte die vom Trend lebende Jury eine Alternative?
Denn auch unser modisches Auge ist ein Gewohnheitsmensch: Was systematisch eingeimpft wird, bleibt im Fokus. Was steht uns nun im Weg, wenn es um die Freiheit unseres persönlichen Stils geht, der natürlich trotzdem dem Anlass angemessen sein sollte? Wann kaufen wir für uns selbst und was macht aus einem Fashion-Victim eine Stil-Ikone?
Hier ein paar Tipps für mehr Freiheit in Ihrem persönlichen Look:
Werfen Sie die Stilbotschaften Ihrer Mutter über Bord und betrachten Sie Ratschläge von Freunden oder dem Lieblingsmenschen mit genügend Abstand:
Bestimmt ist Ihre Mutter eine großartige Frau, aber wie alle Mütter hat sie Sie Ihnen ziemlich sicher Kleidung und Farben angezogen, die sie selbst gerne mochte. Entweder ist sie dem Trend der damaligen Zeit gefolgt – das ist der worst case – oder sie hat ihrem Farbgefühl nachgegeben, was zumindest eine Teil-Chance auf Erfolg mitbringt: Oft erben Kinder das Farbnaturell ihrer Eltern, so dass ihnen die gleichen Farben stehen. Aber genauso oft überspringt das Mendelsche Gesetz der Vererbung eine Generation, und erst Ihre Kinder sehen aus wie Ihre Mutter oder Ihr Vater – aber Ihnen selbst stehen andere Farben.
Wer einmal ausprobiert hat, wie wirksam falsche oder richtige Farben für die Ausstrahlung eines Menschen sind, versteht die Tragweite, wenn Mutter falsch gelegen hat und ihre Farbwahl noch immer in unserem Kopf herum geistert. Genauso verhält es sich übrigens mit Freunden und dem Partner: Die oder der hat immer ein Bild im Kopf … aber wo kommt es her, das Bild – wer hat es geprägt und wo liegt das Wunschdenken?
Stellen Sie das Mode-Bild infrage:
Während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Modebild sehr schmal und stoffsparend – einfach, weil Stoffe so furchtbar teuer waren, jedenfalls für die damalige Welt. Frauen trugen schmale Röcke und knappe Jacken, welche an die Militär-Uniformen angelehnt waren, dazu Gouvernanten-Schuhe, denn Sexiness war im Krieg nicht vordergründig. Der Look der damaligen Zeit hatte also einen unmittelbaren ökonomischen Bezug.
Die schmalen Schnitte der Neuzeit sind dagegen einem Körperkult geschuldet, der erst durch Work-Life-Balance und genügend (Frei-)Zeit, den Körper zu formen, entstehen konnte. Elastan macht’s zudem möglich, denn auch der „perfekt geschnittene“ Anzug lässt die Nähte krachen, wenn unter der schmalen Röhre einer Männerhose zu viele Muskeln spielen. Da braucht auch der Stoff etwas Beweglichkeit.
Zum Glück lancieren die Groupies in New York und an den Hot Spots der Welt wieder weitere Formate für Männerhosen, und erst, wenn Sie diese fern von jeglicher Beeinflussung gut oder nicht so toll finden können, handeln Sie wirklich frei.
Spielen Sie das Dresscode-Spiel mit Ihren Regeln:
„Smart Business“? Ja gerne. Aber wer sagt, dass die Ansage „Dreiteiliger, bevorzugt dunkler Anzug mit festlichem Hemd, Fliege oder Krawatte und Manschettenknöpfen“ wie bei allen anderen Kollegen aussehen muss – wer, dass ein Cocktailkleid schwarz sein muss? Der Dresscode gibt nur den Rahmen vor – aber Sie als Trägerin oder Träger bestimmen noch immer über die Interpretation des Looks, die Farben, Muster und Accessoires. Modisch geht heute viel mehr als Mainstream. Voilà! So einfach könnte es sein.
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Foto: IngImage