Gastautor Foad Forghani schreibt über Dresscodes und die Ausstrahlung im gut sitzenden Businessanzug
Flughafen Paris-Charles de Gaulle, Terminal 1. Das ist nicht unbedingt der Ort an dem man an einem Montagmorgen um 7:30 Uhr sein möchte – ehe bei einem gemütlichen Frühstück mit der Familie. Dort befand ich mich an einem Montagmorgen im Rahmen von innereuropäischen Verhandlungen, die ich begleitete. Als Verhandlungsberater müssen Sie eben dort sein, wo die Entscheidungsträger sind. Oder auf dem Weg dorthin!
Nach der dritten Durchsage bei der verkündet wurde, dass der „Checkin“ sich um weitere dreißig Minuten verzögert, machte ich mir einen Spaß daraus, die herbeieilenden Passagiere zu beobachten und dabei von ihrer Kleidung auf deren Nationalität zu schließen. Da die Verhandlungen, die ich begleitete im Kern zwischen Deutschen und Engländern waren, versuchte ich eben Personen aus diesen Kulturkreisen ausfindig zu machen. Ich achtete auf die Kleidung der Personen, auf die Farbkombination, die Schuhe, Krawatte und all die anderen Details. Und siehe da, meine Rechnung ging auf. Ich konnte tatsächlich von der Kleidung der Personen auf ihrer Nationalität schließen und lag dabei fast immer richtig.
Foad Forgani international tätiger Ghost Negotiator, Verhandlungsberater, berichtet über seine Beobachtungen in verschiedenen Ländern und die Verbindung zwischen Kleidungsstil und Verhandlungsführung!
Die englischen Geschäftsleute trugen eher figurbetonte Kleidung. Spielerisch und vielfältig die Farbkombination der Kleidungsstücke. Die Schuhe: Stilistisch und elegant. Die Deutschen waren bei der Farbauswahl und Kombination ihrer Kleidung zurückhaltender. Eher eine oder zwei Farbnuancen. Weniger Farbkombinationen. Die Kleidung erlaubte Bewegungsfreiheit, zugleich von einer gewissen Robustheit geprägt. Auch die Schuhe waren kräftiger. Insgesamt konnte man den Kleidungsstil der Engländer als elegant oder vornehm und den der Deutschen als sachlich und zweckdienlich bezeichnen. Nicht, dass es keine eleganten deutschen Manager/innen oder keine zweckmäßig angezogenen Engländer/innen gab. Die gab es. Aber man konnte eine Tendenz erkennen. Eine Tendenz, die ich sehr interessant fand. Denn die Attribute »elegant« oder »vornehm« einerseits und sachlich oder zweckdienlich andererseits kann man auch ohne weiteres mit den Hotelzimmern in England oder Deutschland assoziieren! Eine Erkenntnis, die aus meiner Sicht Sinn macht.
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Menschen aus dem gleichen Kulturkreis werden geprägt von gleichen kulturellen Werten. Vor allem wird ihr Entscheidungsfindungs-Mechanismus von gleichen Werten beeinflusst. Ob es nun darum geht eine Krawatte auszuwählen, einen Vorhang für das (Hotel-) Zimmer oder die passenden Schuhe zu kaufen. Die Triebkräfte sind dieselben. Eine Tatsache, die ebenso aus der Verhandlungssicht von Interesse ist. Denn, wenn wir verhandeln, so tun wir das aus einem einzigen Grund. Nämlich, um die Entscheidungsfindung auf der anderen Seite zu beeinflussen und zu lenken. Da ist es sehr wichtig zu wissen, welche Faktoren u. a. die Entscheidungsfindung des anderen beeinflussen.
Eine Erfahrung der anderen Art machte ich einmal bei einer Geschäftreise in den USA. Um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden war ich einige Tage zuvor angereist. Bei den vielen Spaziergängen in den großen Shopping-Mals blieb es nicht aus dort auch zwei Anzüge und einige Hemden zu kaufen.
Als der Geschäftstermin anstand, entschied ich mich dafür einen der vorort gekauften Anzüge zu tragen. Dabei stellte ich fest, dass der Anzug Unterschiede aufwies, die mir bei der Probe im Geschäft auf Anhieb nicht aufgefallen waren. Die Hose war etwas weiter geschnitten als der europäische Schnitt und das Sakko hatte keinen Rückenschlitz, was dazu führt, dass man sich darin um die Taille etwas eingeengt vorkam.
Als ich dann später startbereit mit dem Anzug vor dem Hoteleingang stand und von dem Mandanten abgeholt wurde, hatte ich in dem neuen Anzug ein Gefühl, das ich zwar nicht deuten, aber klar beschreiben konnte: Ich fühlte mich wie Cowboy! Etwa eine Stunde später trafen wir den amerikanischen Verhandlungspartner, der meinen Mandanten zwar freundlich aber distanziert begrüßte. Als er mich sah, bewegte sich sein linker Mundwinkel um etwa halbe Zentimeter nach oben. Leichte Falten waren durch den Druck der Gesichtsmuskeln nach oben um die linke Augenpartie zu beobachten. Eine Mimik, die ihm nicht bewusst war. ‚Innere Freude’, deutete ich sofort.
Es ist sehr schwierig Mimik und Gestik der Menschen im Verhandlungskontext zu deuten. In der Regel muss man den Fluss der Abläufe betrachten, um überhaupt etwas sagen können. Mir kam es bei dem amerikanischen Verhandlungspartner vor als würde er sich über etwas Vertrautes freuen. Natürlich ist und bleibt meine Deutung der Nuancen der Mimik eben eine Deutung. Aber das spätere Verhalten des Amerikaners und sein leichter (emotionaler) Rückzug, als er erfuhr, dass ich nicht in den Staaten lebe, ließ mich annehmen, dass der „vertraute“ Anzug, bei der Vertrauensbildung am Anfang des Treffens eine Rolle gespielt haben muss.
Und dies ist durchaus nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass das Gehirn des Menschen nicht logisch, sondern assoziativ funktioniert! Durch das Bilden von Verbindungen, Assoziationen, gelingt es dem Gehirn neues Wissen abzuspeichern. Und wenn wir nachdenken, so geht ein Impuls in unserem Gehirn nicht den „logischen“ Weg, sondern sie folgt dem Weg der entstandenen Verbindung: Assoziationen. Damit wird der Träger eines Objektes, das uns vertraut ist, zu einem uns vertrauten Wesen – da der Träger mit dem Objekt in Verbindung steht. Und sei das Objekt auch nur ein Anzug!
Es wird oft davon berichtet, dass ein Großteil der Kommunikation nonverbal stattfindet. Wenn es aber um das Umsetzen und Interpretieren geht, vergisst man allzu schnell diese Tatsache. Die Kleidung kommuniziert! Ob wir dies wollen oder nicht. Und je nach Kultur und kulturellen Werten werden verschiedene Botschaften vermittelt – mit verschiedenen Kleidungstypen. Dieser Unterschied gilt nicht nur für Länder und deren Kulturen, sondern auch für Subkulturen.
Ein Freund fragte einmal, ob ich mich bei Verhandlungen mit gewissen Ministerien und Behörden anders anziehen würde. Ich bejahte seine Frage mit dem Hinweis, dass Strukturen welche auf interne Machtpositionierung beruhen Mitglieder oder „Fremdkörper“, die auffallen als Bedrohung empfinden. Da wäre es besser etwas unauffälliger, angepasster aufzutreten. Er verstand dies.
Zugleich habe ich durch meine Arbeit auch Länder und Kulturen kennen lernen dürfen, die ich als „Monokulturen“ bezeichnen würde. Ein Land wie Dubai in dem es mehr ausländische als einheimische Einwohner gibt, ist offen für das, was international „üblich“ ist. Es hat sich dort eine Art Monokultur gebildet und dies betrifft auch den Kleidungsstill. Es gibt fast kein Geschäft dort, das Sie mit einem „normalen“ Anzug und Krawatte nicht abschließen können. Wobei Sie als Managerin dort dann doch auf die eine oder andere Nuance achten müssen – da ist noch Raum für Entwicklung.
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich bei einer Verhandlungsrunde in Malaysia mit einer Vertriebsmannschaft, die international sehr erfahren war – das betraf auch deren Kleidungsstil. Anders waren aber doch Mitarbeiter desselben Unternehmens, welche keinen internationalen Kontakt hatten. Sie waren anders im Verhalten und anders bei ihrer Kleidungsauswahl. Auch ein klares Zeichen für Sub- und Monokulturen.
Zuletzt möchte ich ein interessantes Geschäftstreffen in Italien erwähnen bei dem selbst ich meinen Geschäftspartner verdutzt anschauen musste. Mein Partner wies mich nämlich daraufhin hin, dass meine Manschettenknöpfe nicht teuer genug seien und dies auffiele! Ich kenne nicht viele Personen, die zwischen einem 100 Euro oder 800 Euro Manschettenknopf unterscheiden können! In diesem Fall war es aber so. Sein Hinweis hatte allerdings nichts mit den Erwartungen italienischer Geschäftsleute an sich zu tun, ehe mit den Erwartungen der Geschäftsleute in der Branche mit der wir verhandelten.
Aus meiner Sicht hat jede auch kleinste Gruppe von Menschen ihre eigenen Regeln und ihre Normen. Sie hat ihre ganz eigenen Werte. Die Kleidung ist einer der vielen Aspekte, welche in diesem Zusammenhang, im Rahmen der Wertebildung und Kommunikation, von der Gruppe unbewusst bestimmt und geprägt wird. Sicherlich ist es hilfreich die Werte und damit auch eines der wichtigsten Kommunikationsmittel, den Kleidungsstil, in jedem Falle zu kennen. Es macht das Verhandeln einfacher.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gutes Verhandeln.
Ihr Foad Forghani
Foto: Foad Forghani