Für die gelungene Selbstdarstellung in der weltweiten Community braucht man Selbstbewusstsein
… und nicht gerade wenig. Was uns viele Politiker und Prominente vorleben, wird allerdings zum Stolperstein für so manchen Selbständigen oder manches kleinere oder größere Unternehmen.
Beide unterliegen dem Zwang, sich selbstdarstellerisch verhalten zu müssen, auch wenn sie es gar nicht sind und es ihnen eigentlich um die Sache geht. An gewissen Posen kommt heute niemand mehr vorbei, der gesehen werden will, denn er oder sie muss den lauten Rufen von wirklichen Mitbewerbern oder aber Begleitern, die auf einen Trend aufgesprungen (und nur demonstrativer unterwegs) sind, etwas entgegen zu setzen haben. Und da kommen wir auf den Wert der Substanz: Was früher noch zählte, wird heute nur noch selten recherchiert, weil es ja zeitsparender ist, dem lautesten Schrei, dem obersten Internet-Eintrag zu folgen. Aber ist das wirklich so?
Auf der Suche nach den richtigen Partnern im Geschäftsleben ist Sorgfalt in der Wahl nicht nur Kür, sondern Pflicht. Denn Fehlentscheidungen kosten Kraft, Zeit und nicht selten auch Geld. Angesichts der vielen, mit Superlativen gepflasterten Profile ist das aber alles andere als leicht. Deshalb lohnt sich ein zweiter Blick, den es auf der einen Seite zu riskieren und auf der anderen einzufangen gilt. Welche Fragen sollten sich Sender und Empfänger stellen, wenn es um die treffsichere Wahl geht?
Möchte ich Klasse oder Masse?
Unendlich viele Freunde im Netz bedeuten noch lange nicht viele Aufträge. So wie man im Parkhaus ja auch nicht alle Parkplätze braucht, sondern nur den einen, sollte man im Vorfeld von Kampagnen & Co. Reichweite und Tiefe abwägen. Dadurch rücken die Qualität und die Art, sie zu kommunizieren, wieder mehr in den Fokus. Politiker im Wahlkampf können sich das leider nicht erlauben, weil hier die Masse entscheidet, was unweigerlich zu allgemeingültigen Aussagen führt. Wer aber für sein Gewerbe wirbt, darf das Besondere, das es ausmacht, herausstreichen.
Wer trifft die Aussage?
Es ist immer peinlich, wenn jemand von sich selbst sagen muss, die oder der Top-Experte in einem Fachgebiet zu sein. Das kann nämlich je nach Empfänger der Botschaft unterschiedlich wahrgenommen werden. Sich selbst als führend in einem Markt zu bezeichnen, macht nicht gerade sympathisch und zieht magisch jene potenziellen Kunden an, die sich gerne beeindrucken lassen – aber schnell wieder weiterziehen, sobald ein frischer Guru am Horizont erscheint.
Ist das Selbstbild konstruiert oder realistisch?
Entsprechend wird sich auch jeder Empfänger einer Botschaft fragen, ob das zur Schau getragene Selbstbewusstsein postuliert oder aber natürlich gewachsen ist. Und nichts ist anziehender als die selbstvergessene Konzentration, die jemand ausstrahlt, der ganz in seinem Element – und damit inmitten seiner fachlichen Substanz ist. Die Frage nach dem Lebenslauf hilft übrigens bei der Einschätzung, wo und in welcher Tiefe das gefragte Wissen erworben wurde.
Habe ich das richtige Gespür für Nähe und Distanz?
Die Frage ist für beide relevant, für den Sender und den Empfänger. Die meisten Menschen haben nämlich ein besseres Gedächtnis als die Werbemacher so annehmen und brauchen keine hochfrequentierten Botschaften, sondern die richtigen, zum richtigen Zeitpunkt. Newsletter in der Schussfolge eines Maschinengewehrs etwa mögen manche Empfänger zwar zur Kapitulation (also zum Kauf) bewegen, es fehlt aber immer an der nötigen Distanz, die Voraussetzung für freiwillige Nähe – und damit nachhaltige Kundenbindungen – ist.
Ist, was ich von mir gebe, glaubwürdig und auch menschlich echt?
Als Marke ist man auch dem Vorbild verpflichtet, das man abgibt. Denn dieses führt unweigerlich zu unserer viel zitierten Authentizität. Kürzlich nahm ich einen freundlich fragenden Menschen im Auto mit, der mich bat, ihn ein paar Busstationen bis zum nächst günstigeren Anschlussbus zu kutschieren. Auf der Elevator-Pitch-kurzen Fahrt stellte er sich mir als Osteopath vor. Getrübt wurde das Bild nur leider durch die Ausdünstung eines Menschen, der mäßig bis starker Raucher war.
Eine physische Tätigkeit im Dienste der Gesundheit – und ungesunder Tabakkonsum. Das passte für mich nicht zusammen.
Sieht man mir an, wofür ich stehe?
Wer es bis zum Vorbild geschafft hat und auch lebt, was er oder sie propagiert, hat immer noch die Aufgabe, auch so auszusehen. Damit der Eindruck überzeugt. Kleidung ist und bleibt eine Sprache, die schon auf den ersten Blick Menschen in mein Leben zieht, die dazu passen. Natürlich nur dann, wenn die Formensprache authentisch und nicht aufgesetzt ist. Diese Sprache zu erlernen und einen eigenen Stil zu entwickeln ist vielleicht die schönste Form des Ego-Marketings. Weil sich die Botschaft wortlos überträgt.
Foto: Katharina Starlay